Ein Projekt von Wolfgang Thomas & Micky Pega

Norbert Pauwels

Von Orkan an die Küste geschmettert


Neben Radio Luxemburg und den Militärsendern AFN und BFBS waren die in der Nordsee auf Schiffen stationierten Piratensender eine unverzichtbare Quelle für alle Fans, die an den neuesten englischen und amerikanischen Platten interessiert waren. Eine dieser Stationen war nur etwa drei Monate auf Sendung, dann wurde die "Uilenspiegel", von der aus "Radio Antwerpen" seine Musikprogramme ausstrahlte, von einem Jahrhundertsturm im Dezember 1962 an die holländische Küste geschmettert. Mit an Bord: Der Belgier Norbert Pauwels, der nun schon seit Jahrzehnten im Siegerland lebt.

Pauwels war elf Jahre als Funk- und Radaroffizier auf einem Schiff der belgischen Handelsmarine zur See gefahren. Seine Frau Helga, die aus Kredenbach stammte, bewog ihn dazu, diesen Job aufzugeben – auch, weil er von dem Kapitän, mit dem er elf Jahre zur See gefahren war, getrennt und auf ein anderes Schiff versetzt werden sollte. Da kam das Angebot des Antwerpener Geschäftsmanns Georges de Caluwe gerade recht. Der besaß die Lizenz für Radio Antwerpen, durfte aber aufgrund der belgischen Gesetze keine Werbung ausstrahlen und wollte seinen Sender nach dem Vorbild des holländischen Senders "Radio Veronica" außerhalb der Hoheitsgewässer verankern. Pauwels: "De Caluwe sagte: Bauen Sie das mit auf." Der Techniker sagte zu, und auch seine Frau hatte nichts gegen den neuen Arbeitsrhythmus: "Zwei Wochen auf dem Wasser, eine Woche zu Hause – damit konnte ich leben."

Die "Uilenspiegel" war im Herbst 1962 von Pauwels ausgerüstet und nahm ihren Sendebetrieb auf: "Die Shadows, Cliff Richard, alles was angesagt war in der internationalen Musik, haben wir gespielt." Helga Pauwels freute sich, wenn deutsche Schlager angesagt wurden, und einmal wurde sie selbst für den Piratensender tätig: "Rex Gildo trat in Antwerpen auf, und ich bekam den Auftrag, ihn zu interviewen." Das war gar nicht so einfach: "Es war solch ein Rummel um ihn, da ist er getürmt." Im Hotel kam dann doch noch das Gespräch zustande, dessen Abschrift das Ehepaar Pauwels heute noch genauso hütet wie ein Autogramm von Gildo mit persönlicher Widmung: "Mit Dank für Ihr charmantes Interview".

"Wir kämpften um unser Leben"


Ebenfalls aufgehoben hat Norbert Pauwels die Zeitungsberichte über die Schreckensnacht – drei Tage, nachdem Georges de Caluwe plötzlich gestorben war. Ein fürchterlicher Sturm riss die "Uilenspiegel" aus der Verankerung. Pauwels: "Es war über Windstärke 12, das Schiff war nicht mehr steuerbar." In einer dramatischen Rettungsaktion wurden er und vier Kollegen geborgen, vier weitere Seeleute blieben an Bord und wurden bei Cadzand in Holland an die Küste geschleudert. Das Schiff war nicht mehr zu gebrauchen und hat Jahre lang als Touristenattraktion gedient, bis die Trümmer weggeräumt wurden. Auch die Sendeinstallationen und das komplette Musikmaterial wurden bei der Katastrophe zerstört.

Wie er das Unglück erlebt hat, erzählte Pauwels, der im Frühjahr 70 Jahre alt wurde, am Tag nach der Rettung Antwerpener Journalisten: "Wir sind in der Nacht zum Sonntag gegen halb vier wach geworden. Der Sturm hatte da schon einen Teil der Luke weggeschlagen. Die Wellen schlugen wild über die Reeling, und in den Kajüten stand das Wasser schon einen halben Meter hoch. Etwas später fiel der Strom aus, und wir mussten die Generatoren für die Notbeleuchtung einschalten. Der Sturm wütete inzwischen mit voller Heftigkeit. Wir kämpften nur noch um unser Leben. Mit viel Mühe konnten wir noch einige Feuersignale abschießen. Auch wurden Lappen in Benzin gesteckt und angezündet. Es kam aber niemand zu Hilfe." Erst gegen Sonntagmittag traf ein Rettungsboot aus Zeebrügge ein, das zumindest einen Teil der Uilenspiegel-Besatzung übernehmen konnte.

Arbeit bei der Siemag in Eiserfeld


Drei bis vier Jahre lebten die Pauwels nach dem Unglück noch in Belgien. Gemeinsam mit dem Sohn von Georges de Caluwe wollte er das Schiff eines schwedischen Piratensenders, das in Antwerpen zur Generalüberholung im Dock lag, kaufen: "Wir haben das Geld nicht zusammenbekommen." Eines Tages traf ein Brief aus Kredenbach ein. Helga Pauwels: "Die Siemag in Eiserfeld sucht Arbeiter, schrieb meine Mutter. Wäre das nichts für Norbert?" Es war. Das Ehepaar zog zunächst nach Neunkirchen, später dann nach Kredenbach ins Elternhaus. Dort hatten sich die beiden auch kennengelernt: Norbert Pauwels Vater und ein Nachbar seiner späteren Schwiegereltern hatten sich im Krieg angefreundet und waren stets in Kontakt geblieben. Bei einem der Besuche in Kredenbach war auch Seefahrer Norbert Pauwels mit angereist – Jahre später war Hochzeit in Ferndorf.