Flucht nach sechs Mal "Wooly Bully"

Nach einem Namen für seine 1962 gegründete Gruppe musste Harold Krämer nicht lange suchen. "The Ravens" hatten die Mitglieder einer Gang, die eine zentrale Rolle in einer amerikanischen Fernsehserie spielte, hinten auf ihren schwarzen Lederjacken stehen: "Davon war ich so begeistert, dass ich diesen Namen für unsere Band wählte. Als Maskottchen hatten wir einen kleinen Steiff-Raben."
Neben Harold Krämer (Gitarre) waren es Willi Weber (Gitarre), Wolfgang Hoffmann (Bass) und Gerhard Haag (Schlagzeug), die einen Proberaum in der Siegener DAG-Schule nutzen durften. Den e

rsten öffentlichen Auftritt hatten die Ravens - alle vier waren auch für denGesang zuständig - im Hotel Bürger, Anlass war das Klassenfest der Klasse 8 der Jung-Stilling-Schule: "In der typischen Beatles-Besetzung gaben wir unser erstes Konzert. Gekleidet waren wir mit schwarzen Hosen, weißen Hemden, kurzen schwarzen Jäckchen und roter Samtschleife."

Zu einem regelrechten Abenteuer wurde eine der ersten größeren Veranstaltungen mit den Ravens: "Wir hatten einen Auftritt in der Krombachhalle. Die Plakate hatten wir in Heimarbeit erstellt und dann entlang der Straße ab Siegen geklebt." Willi Weber hatte für dieses Konzert zusätzlich einen Pianisten engagiert und damit einen guten Riecher bewiesen: "Nach dem ersten Lied, ,Peter Gunn´, gab der Verstärker unseres Bassisten den Geist auf. Wolfgang Hoffmann spielte nun über den Gitarrenverstärker - mit der Folge, dass dieser nach einer Stunde ebenfalls ausfiel." Von der reinen Besetzung wäre jetzt nur noch das Schlagzeug und eine Gitarre funktionsfähig gewesen: "Von daher war der Pianist unsere Rettung." Zum Repertoire der Ravens gehörten viele Instrumentals, Vorbilder waren unter anderem die Shadows, deren "Apache" eine Glanznummer des Siegener Quartetts war.
Bei Jugend-Tanz Griffe gelernt
1964 wurde aus dem Vierer- ein Sechser-Pack. Zunächst nahm Wolfgang Hoffmann seinen Hut und wurde

durch einen Sologitarristen, nämlich Jochen "Jockel" Friese, ersetzt. Gesanglich wurde das Spektrum durch Günter "Buddy" Theis und seine Freundin Karin "KaKa" Kleinschmidt erweitert - von nun an hieß die Gruppe "Buddy and The Ravens". Diese Formation - wer Harold Krämers Aktivitäten von heute kennt, mag es kaum glauben - ist vielen Fans von damals inErinnerung geblieben, weil sie eine Menge Stücke aus dem Fundus der Beatles-Konkurrenz drauf hatten: "Um 1965 haben wir tatsächlich viele Stones-Titel gespielt - ,Under the boardwalk´ ist so ein Stück, an das ich mich gut erinnere." Für "Jack the Ripper" waren Buddy and The Ravens aber ebenfalls berühmt, für "Johnny B. Goode" und "I got you babe". "Woche für Woche" hat die Truppe im Dahlbrucher Hof gastiert, auch in der Barbara Bar in Daaden, in der Siegerlandhalle bei "Ali´s Party" und bei d

er Kolpingfamilie. Meist gab es nicht viel zu verdienen: "Oft haben wir nur für ein Abendessen gespielt." Bei einem Auftritt in einem von belgischen Soldaten besuchten Lokal auf dem Heidenberg war ihre Version von "Wooly Bully" besonders gefragt: "Immer wieder mussten wir dieses Lied spielen - erst zu vorgerückter Stunde und nach sechs mal ,Wooly Bully´ konnte wir den Wirt davon überzeugen, dass nun Schluss sei. Er besänftigte nun seinerseits die Fans und wir konnten den Saal - fast fluchtartig - verlassen," erinnert sich Krämer.
Wie bei vielen anderen Siegerländer Bands konnte die Anlage nur Zug um Zug und mit Hilfe von Walter Horn, dem großzügigen Chef des gleichnamigen

Musikhauses, ergänzt werden. Erstmals über eine Profi-Ausrüstung haben "Buddy and The Ravens" im "Moulin Rouge" gespielt. Krämer: "Dort hatte 1964 eine Gruppe aus Manchester ein mehrwöchiges Engagement. Wir haben gefragt - und die Engländer waren einverstanden, dass wir einmal 45 bis 60 Minuten für sie auftraten: Das war für uns eine große Sache."
Häufiger Gast war Krämer beim "Tanz für die Jugend" - aber nicht zum Beaten oder unter "hormonellen Gesichtspunkten" (Wolfgang Suttner): "Während viele sich beim Schwoof vergnügten, verbrachte ich die Zeit in der Siegerlandhalle mit Block und Bleistift. Ich notierte mir die interessantesten Songs und die Grifffolgen für Gitarre."
Begeisterung für den Beat ließ nach
Krämers Begeisterung für den Beat wurde 1967 gedämpft: "Der Aufwand wurde mir einfach zu groß, die vielen Proben zum Beispiel. Ich hörte bei Buddy and The Ravens auf." Allerdings nicht mit der Musik: Gemeinsam mit Willi Weber und Angelika Stettner gründete Harold Krämer 1968 die DAG Folklore Gruppe, aus der wiederum ein Jahr später die "New City Folk Preachers" wurden.
Buddy und der verlorene Stiftzahn
Beatgeschichten, die das Leben schrieb - Gerhard Haag, Schlagzeuger von "Buddy and The Ravens" weiß

eine zu erzählen. "Es war bei einem Konzert im Dahlbrucher Hof. Plötzlich löste sich Buddys Stiftzahn und kullerte auf die Tanzfläche. "Alles mal stehen bleiben", forderte unser Sänger in seiner üblichen Art - allerdings vergebens: Der Zahn war bereits zertreten, und zwar ausgerechnet von Buddys Freundin Karin."
Die gleiche Geschichte findet sich - mit positivem Ausgang für Zahn und Sänger - auch in dem Buch "It`s only Rock`n`Roll", das Karin Kleinschmidt unter ihrem jetzigen Namen Kloetzel veröffentlicht hat: Dort beschreibt sie die ersten 30 Jahres ihres Lebens in Romanform. Die Ravens heißen "Die Drosseln", die Autorin nennt sich Berta und ihr singender Lover ist Gunna: "Ein anderes Mal war das Mikro gegen Gunnas provisorisch aufgesetzte Schneidezahnkrone geknallt.
Die Plastikkrone war rausgefallen und so klaffte eine Lücke in der oberen Reihe.,

welches ihm absolut nicht das angestrebte Äußere eines Rock- Idols verlieh. Übers Mikro machte er auf die gegebenen Umstände aufmerksam und so sah man eine auf dem Boden kriechende, nach einem Plastikzahn suchende Fangruppe vor der Bühne. Johli, der später im Rotlicht- Milieu verschwand, ...fand den Zahn. So wurde das von Fußtritten verschont gebliebene Plastikstück wieder auf den Zahnstummel geschoben und weiter gings mit Sonny & Cher`s ´I got you babe`."
Bei einem anderen Konzert erlitt Gunna/Buddy, der im richtigen Leben Günter Theis heißt, beim Stones-Titel "Satisfaction" einen leichten Schwächeanfall: "Die Fans jubelten und grölten und stampften `Zugabe, Zugabe` in der Annahme, dass dies eine wirklich vollendete Show wäre, aber Gunna fühlte sich wirklich total beschissen." Nach einer halbstündigen Pause hatte sich der Sänger erholt, die Vorstellung konnte weitergehen.
Karin Kleinschmidt und Buddy Theis heirateten 1968 und gingen wenig später nach Berlin, weil der Sänger so der Bundeswehr entgehen konnte. Obwohl schon nach kurzer Zeit geschieden, haben die beiden noch immer Kontakt., und nach den jetzigen Planungen werden beide am 18. August zur Wiedersehensparty in die Siegerlandhalle kommen. Karin Kloetzel lebt heute in Norden in Ostfriesland, hat neben dem Buch eine CD mit - bis auf ein Lied - selbst geschriebenen und arrangierten Stücken herausgebracht.
Wiedersehen bei den "Comics"
Auch Buddy Theis blieb im Geschäft: 1970 schloss er sich der deutschen Progressiv-Gruppe "Guru, Guru"

an, wurde deren Roadie, dann ihr Tontechniker. Die gleiche Funktion übernahm er 1975 bei "Kraan", bevor er 1979 mit den "Neue-Deutsche-Welle"- Formationen "Ideal" und "Extrabreit" sowie Nina Hagen auf Tournee ging. Konzertreisen mit Herbert Grönemeyer und Gianna Nannini schlossen sich an. Mittlerweile lebt er in Mannheim, wo er ein renommiertes Unternehmen für Veranstaltungstechnik ("ps productions") betreibt. Rock-Tourneen macht er nicht mehr, ist aber auch so bestens ausgelastet: "Ich arbeite viel für den SWR, bei Konzerten und Festivals." Seine ersten musikalischen Gehversuche im Siegerland machte er übrigens bei Gesangs-Wettbewerben im Partyclub: "Dort habe ich Karin auftreten sehen und gedacht: Das probierst du auch." Theis gewann mehrmals und machte so die Ravens auf sich aufmerksam, die ihn und Karin Kleinschmidt eines Tages zum Mitmachen einluden.
Gerhard Haag wurde nach dem Ende der Ravens 1968 zunächst Mitglied der "Route 66", zu der Horst Stutte (Leadgitarre), Ingo Müller (Rhyth

musgitarre), Roland Schneider (Bass - früher bei den "Djorgos") und der Sänger Günter Lück gehörten. Danach folgten viel Jahre als Mitglied der "Comics", die Unterhaltungs- und Tanzmusik machten - auch Willi Weber, ebenfalls bei den Ravens, war dabei.
Auch Wolfgang Prust machte mit
Zunächst war auch Günter Kaiser, der bereits 1967 die "Moonshots" verlassen hatte, ein "Comic". Er machte sich aber bald als Alleinunterhalter selbstständig. Auch Wolfgang Prust (Ex-New City Folk Preachers und -Ravens) war zeitweise Mitglied der Gruppe.
Otto Braach, der ebenfalls in der Spätphase zu Buddy and The Ravens gehörte, ist heute Vorstandsmitglied eines weltweit tätigen Baukonzerns mit Sitz in Frankfurt.
"Jockel" Friese: Vom Rock zum Sport und wieder zurück
Die Musik hat sie nicht losgelassen - die Ravens samt Buddy und Karin Kleinschmidt machten nach Auflösung der Gruppe allesamt weiter.
Joachim "Jockel" Friese spielte unter anderem bei den "Urgins" und ganz kurz bei den "Glad Rags". Häufig spielte er auch mit seinem Bruder Michael und Stefan Dreffke ("Stevie`s Sunflower Blues Inspiration"), bevor er Anfang der siebziger Jahre die Gitarre an den Nagel hängte und sich erfolgreich sportlich betätigte (Leichtathletik bei der DJK Siegen, Tischtennis beim gleichen Verein und beim SuS Niederschelden, danach Tennis). Seit etwa vier Jahren hat ihn die Musik allerdings zurück: Friese tritt als Alleinunterhalter auf.
Bis vor zehn Jahren war Schlagzeuger Gerhard Haag mit den "Comics" unterwegs. Mittlerweile macht er wieder Rockmusik - mit Hermann Klein, Rene de Hut und Paul- Werner Stöcker: "Wir suchen noch einen Keyboarder," berichtet Haag, der mit seinen neuen Kollegen bereits 30 Stücke, von den Beatles bis Clapton, "drauf" hat. Zunächst wird noch geübt, "aber wir wollen auf jeden Fall auch wieder auftreten."
Willi Weber, mit dem Haag immer noch eng befreundet ist, kann aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr auftreten.